Wer kennt den Ausdruck nicht? "φιλε μου" (fíle mou) "mein Freund". Jeder
der mal in Griechenland war. Weil man traditionell, zumindest nach
außen, gastfreundlich ist, wird man so begrüßt.
Zumindest jeder, der
mehr als zwei mal an einer Bar saß, in einer Taverne in einem Hotel,
einer Pension war, erhält das Prädikat "fíle mou". Nach einigen
Aufenthalten in GR versteht das der Reisende sprachlich und ist
unheimlich stolz der "φιλε μου" von irgendjemandem zu sein.
Doch wie sieht es in der Realität aus? Es lohnt sich vielleicht mal nachzudenken.
Sprechen wir dbzgl. zuerst vom Touristen, der "Mehrfachtäter" ist, sprich ein Freund des Landes und der Menschen ist.
Foren,
FB-Gruppen udgl. sind voll von Menschen, die sich freuen ein "φιλε μου"
von jemand an der Bar, im Hotel, einen Ober in der Taverne zu sein.
Ist
man denn wirklich ein "φιλε μου? Ich denke eher nicht. Eher - Kalo
taxidi "φιλε μου", kalos orisate "φιλε μου" -. Sprich, auf einen "φιλε
μου" folgt der nächste, ohne dass irgendeinem nachgeweint wird. Denn die
"φιλε μου", die jedes Jahr ein paar Tage des Jahres da sind, sind den
Einheimischen egal. Hauptsache der Rubel rollt und die Einheimischen
haben ihr Auskommen. Was absolut verständlich ist.
Ob Tourist
oder Residenter, wir alle werden in diesem Land immer Fremde bleiben.
Denn hier gilt Familie, Verwandtschaft (selbst wenn wann man sich
gegenseitig nicht ausstehen kann) und dann vielleicht noch der κουμπάρος
(Trauzeuge) und ein paar Freunde (unter Männern), die man zum Ausgehen
braucht. Dann hat es sich aber mit dem "φιλε μου".
Außer den
Einmal-Touristen gibt es dann noch diejenigen, die nach Griechenland
gezogen sind. Selbst wenn man der Sprache - und das ist das Wichtigste -
nicht oder nur rudimentär mächtig ist, denkt jeder, ich bin ja der
"φιλε μου" von vielen, die werden mir schon helfen.
Anfangs stimmt
das, denn irgendwie nehmen es die "Freunde" noch nicht so ganz ernst,
dass der "φιλε μου" jetzt länger auf ihrer Insel bleibt als im Urlaub.
Irgendwann hören die Hilfsangebote auf. Auch verständlich, keiner muss
des anderen Kindermädchen sein.
Weiter denken wir (die
Ausgewanderten), es ist toll, dass wir uns jetzt öfter mit unseren "φιλε
μου" treffen können (Sommer wie Winter), als nur im Urlaub.
Die
Wahrheit ist, wir sehen unsere alten, griechischen Freunde seit Jahren
wesentlich weniger als zu Zeiten unserer Urlaube. Woran das liegt, kann
ich nur mutmaßen. Wir sind immer verfügbar. Nicht wie im Urlaub und
somit hat jedes Treffen keine Eile. Dabei vergehen Monate und Jahre.
Außerdem blickt man als Xenos (Fremder) immer mehr durch, wie so alles
in den Familien usw. abläuft und das ist nicht gerne gesehen. Somit wird
man gemieden. Nur meine Vermutung.
Mittlerweile kann ich gut
darauf verzichten irgendjemandes "φιλε μου" zu sein. Denn Kontakte zu
pflegen obliegt scheinbar nur dem "Xenos" und nicht dem Einheimischen,
der gerne umgarnt werden will. Sprich die griechischen Freunde erwarten,
dass wir ihnen wie in den Urlauben hinterherlaufen. "Ich muss den noch
besuchen und den und den ...". Warum? Sind wir Freunde oder nicht? Dann
bitte auf Augenhöhe und Kontakt auch außerhalb der üblichen
"Floskeltage" wie Weihnachten, Ostern oder Namenstag.
Seit
einiger Zeit versuche ich von der Hilfe von Griechen unabhängig zu
werden. Zu 95 % klappt das mittlerweile. Und für die 5 % braucht der
Grieche ebenfalls Hilfe (z. B. Steuerberater).
Kontakte pflegen
wir mittlerweile lieber mit "Friends" aus aller Herren Länder, die diese
Bekanntschaften auf Gegenseitigkeit auch pflegen. Sprich man
telefoniert, mailt, gibt sich Ratschläge ... und wartet nicht nur
darauf, dass zu den "Floskeltagen" mal ein Anruf kommt, und zusätzlich
vom "reichen" Deutschen bei den Kindern der Euro rollt.
Mag alles
vielleicht bitter klingen, ist es aber nicht. Mit unserem derzeitigen
Freundeskreis (multinational) sind wir sehr zufrieden. Auch kann man
hier beizeiten auf einem etwas höheren intellektuellem Niveau
diskutieren als mit vielen bildungsfernen, die einen "φιλε μου" nennen.
Zum
Schluss noch, weil es zur Situation passt. Nicht die jahrzehntelangen
Freunde fragten während des Lockdowns ob wir z. B. Hilfe bzdl. Einkaufen
bräuchten (wegen Alter und Risikogruppe) oder, ob wir das mit dem
Formular oder SMS verstanden hätten, nein es waren junge Leute aus neuen
griechischen Bekanntschaften.
γεια σας φιλε μου